Steuerungsunabhängige Robotik

Steuerungsunabhängige Robotik
ROBOTIK UND PRODUKTION | April 2025

Wie in der Industrie generell stehen auch in der Robotik die Zeichen auf mehr Flexibilität und Offenheit. Doch gerade in diesem Marktsegment war es lange Zeit ein No-Go, die Kinematik unabhängig vom Controller zu kaufen. Die Firma autonox bricht dieses Dogma mit separaten Robotermechaniken auf und belegt durch ihren Erfolg, wie sich die Zeichen und Zeiten wandeln.

Das wichtigste vorneweg: „Wir bauen Robotermechaniken, sehen uns aber nicht als Roboterhersteller“, unterstreicht Elisabeth Schärtl das Selbstverständnis von autonox. Die Zuständige für das Partnerprogramm LINKED Robotics betont zudem: „Unsere Mechaniken können von jeder Steuerung angetrieben werden, die über die erforderlichen Algorithmen verfügt – was heute eigentlich Gang und Gäbe ist.“ Mit diesem Ansatz ist das Unternehmen mittlerweile sehr erfolgreich. Im vergangenen Jahr wurden rund 1.500 Mechaniken ausgeliefert. Ging es ursprünglich nur um Deltakinematiken, gehören seit 2022 auch Knickarm- und sCara-Mechaniken zum autonox-Portfolio.

Mehrere Robotermechaniken auf Werkbänken

Zwei Männer und eine Frau neben einem Roboter
Geschäftsführer Hartmut Ilch (r.) und Elisabeth Schärtl präsentieren der Redaktion ein Deltamodell für hohe Traglasten. 

Speziell zugeschnittene Mechaniken

In Summe bringt es das Unternehmen auf über 330 verschiedene Mechaniken, aus denen Kunden im E-Katalog wählen können. „Da wir fast 20 Jahre Erfahrung mitbringen und unsere Lösungen hochstandardisiert sind, bieten wir viele Mechaniken an, die exakt auf bestimmte Anwendungen oder Branchen zugeschnitten sind“, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter Hartmut Ilch. „Klassische Roboterhersteller benötigen immer eine kritische Abnahmemenge, damit sich ein Modell rechnet.“ autonox sei hingegen flexibel genug, um das stetig wachsende Portfolio nicht nur zu verwalten, sondern auch auf Abruf zu produzieren. „Wir können in einer Woche 50 verschiedene Mechaniken produzieren und in der nächsten Woche 50 Mal den gleichen Typ.“

Das Angebot setzt sich aus vier Produktbereichen zusammen: Den Start machen sogenannte DuoPod-Mechaniken, die auf Pick&Place entlang einer definierten Geraden ausgelegt sind. Es folgen die klassischen Deltamechaniken für Traglasten bis 50kg und Arbeitsbereiche bis 2.000mm. Die Kategorien drei und vier bilden die noch recht jungen Knickarm-Mechaniken sowie sCaras. Im Rahmen des Portfolios werden einige USPs hervorgehoben. Bei Deltas werden etwa standardmäßig hochwertige und robuste Wälzlager verbaut. „Im Vergleich zur typischen Gleitlager- bzw. Federtechnik sind dadurch höhere Lasten, größere Steifigkeit und mehr Präzision möglich“, führt Elisabeth Schärtl weiter aus. Andere Besonderheiten sind eine integrierte Medienversorgung, eine koaxiale Teleskopgelenkwelle, doppelter Z-Hub oder integrierte Werkzeugwechsler. Bei den Knickarm-Mechaniken erhält der Anwender auf Wunsch z.B. Sekundär-Encoder oder versteifte Ausführungen für die CNC-Robotik. Hygienic-Design-Varianten werden ebenfalls angeboten.

Komplett integrierte Robotik

Der Kunde kann quasi ohne Einschränkung vorgeben, welche Steuerung er in seiner Applikation nutzen will. autonox stellt dann ergänzend zur Mechanik auch die passenden Schnittstellen und Adapter zur Verfügung. „Die Steuerungen und Antriebe selbst bestellen unsere Kunden wiederum bei Partnern“, so Elisabeth Schärtl. Was im ersten Moment nach mehr Aufwand klingt, bildet in der Praxis die Basis für eine komplett Maschinen-integrierte Robotik. In der Verpackungsindustrie, in der autonox seine Ursprünge hat, ist dieser Ansatz seit jeher verbreitet. Mittlerweile gibt es aus vielen weiteren Industriezweigen ebenfalls großes Interesse. Denn eine Vereinheitlichung auf Steuerungsseite bringt viele Vorteile mit sich – von der Inbetriebnahme bis zum Service. Die Anlage wird schlanker und Schnittstellen überflüssig. Weniger Bauteile und weniger Verdrahtung reduzieren Kosten, Aufwand und Fehlerquellen. Entsprechend wird diese Vorgehensweise auch immer öfter von Endkunden vorgeschrieben.

„In der Industrie findet ein Umdenken statt“, ist Hartmut Ilch sicher. „Warum noch proprietäre Robotersteuerungen in einer Anlage einsetzen, die ansonsten durchgängig über einen Steuerungstyp läuft?“ Immer mehr Gewicht erhalte dieser Ansatz, weil die Ansprüche an die Robotersteuerung wachsen. „Viele Anwender mit eigenem Knowhow können bei klassischen Robotern gar nicht so tief in die Regelung oder die Bahnplanung eingreifen, wie sie gerne würden. Wohingegen es auf Seite der Industriesteuerungen an dieser Stelle keine Limitierungen gibt. Da hat der Anwender in der Regel freie Hand.“

Labor mit verschiedenen Robotern

„Neben der steigenden Zahl an OEMs, für die autonox in der Serie fertigt, gibt es viele Kunden aus dem Sondermaschinenbau, die sich noch relativ frisch mit dem Thema Robotik beschäftigen“, ergänzt Elisabeth Schärtl. „Deshalb arbeiten wir sehr eng mit unseren Steuerungspartnern zusammen.“ Im Application Center am Stammsitz in Willstätt können Kunden die Mechaniken von autonox gemäß ihrer Anforderungen mit der gewünschten Steuerung auf Herz und Nieren testen – von Siemens, Rexroth und Beckhoff über Rockwell und Keba bis hin zu Mitsubishi Electric, Yaskawa oder Omron.

Partnerplattform LINKED Robotics

Um es den Kunden noch einfacher zu machen, ist autonox schon mitten im nächsten Schritt: dem Aufbau einer Partnerplattform, die über die Steuerungstechnik hinaus auch Zugang zur passenden Leistungselektronik, Motorvarianten oder zu weiteren Komponenten wie Linearachsen, Energiezuführungen oder EOAT schafft. „Durch LINKED Robotics wissen unsere Kunden mit einem Klick, welche Komponenten zu welcher Mechanik passen“, fährt Elisabeth Schärtl fort. „Wir bieten alle nötigen Infos und den direkten Link. Kaufen müssen unsere Kunden aber bei den Partnern direkt.“ Künftig soll die Plattform auch Software- und Serviceanbieter, sowie Systempartner und Integratoren auflisten.

„Maschinen- und Anlagenbauer wollen Komponenten heute möglichst frei kombinieren – statt ein Teil A zu verbauen, bei dem sie zwingend an Teil B gebunden sind“, konstatiert Hartmut Ilch. „Die Strategie der etablierten Roboterhersteller, fertige Maschinen aus Mechanik, Steuerung, Motoren, Reglern, Netzeinspeisung und Software zu verkaufen, läuft diesem Wunsch nach Flexibilität zuwider.“ Deshalb komme der Ansatz von autonox so gut an. „Bisher galt unser Geschäftsmodell als Nische. Die Steuerungs-agnostische Robotik nimmt allerdings so stark an Fahrt auf, das wir den Bedarf in einigen Jahren vermutlich gar nicht mehr allein abdecken können. Das mit der Nische wird sich also erledigen.“

 

Zum Online-Artikel